Künste

der auf der leinwand tanzt

Falk Kastell, Maler, Zeichner und Fotograf, feiert in seinen Arbeiten die Schönheit der Welt und der Menschen. Als prägend hat der belesene „Berufsaußenseiter“ die Begegnungen mit Robert Häusser erlebt.

Text: Ute Maag

Dass Falk Kastell als Treffpunkt für das Gespräch das (zu dieser Stunde geschlossene) Sternerestaurant Opus V vorschlägt, hat mehrere Gründe. Erstens ist der Künstler dem Haus Engelhorn schon seit 2015 verbunden, als er – damals als weitgehend unbekannter Newcomer neben Größen wie Horst Hamann, Gerhard Vormwald und Sabine Kress – eingeladen wurde, sich künstlerisch mit dem 125-jährigen Bestehen des Mannheimer Familienunternehmens auseinanderzusetzen. Zweitens ist (und isst) er gern hier. Und drittens hängen derzeit etliche Arbeiten von ihm im Gastraum, die auffallen in diesem nordisch klaren Ambiente: expressiv, bunt und farbenprächtig die einen, kleinteilig mit feinem Strich gezeichnet die anderen. Was sie eint, ist ihre Dynamik. Allen wohnt Bewegung inne, ein Tanz von Farben, Linien, Körpern.

Foto: Falk Kastell
Foto: Falk Kastell

Kunst, die die Seele streichelt

Falk Kastell feiert die Schönheit. „Kunst soll eine Aussage sein, nicht ein Kommentar“, betont er und zitiert Schiller, der sagte, die Kunst solle den Menschen veredeln. „Man kann die Seele der Menschen auf verschiedene Weisen berühren. Meine Kunst soll die Seele streicheln“, ist sein Credo: „Ich finde, unserer Welt fehlt zunehmend die Schönheit! Den Menschen fehlt Frieden, alle sind wahnsinnig im Stress. Ich will Bilder schaffen, die im Kopf bleiben und die ein gutes Gefühl hinterlassen, wie man es als Kind kennt, wenn die Mutter eine Geschichte vorgelesen hat.“ Um dieses Gefühl zu erzeugen, stehen ihm viele Mittel zur Verfügung. Das der Malerei, meist in Öl, das der Zeichnung, häufig in einer Linie, ohne den Stift einmal abzusetzen, und die Fotografie. Die Frage, wie er sich selbst sehe, eher als Maler oder Fotograf, beantwortet er mit den Worten: "Ich bin Künstler." Die Zeiten, als er beides trennte, sind vorbei. Vielmehr ergänzen sich in seinem Werk beide Kunstformen und er hat neue Techniken entwickelt, um sie zu vereinen. Nach dem Engelhorn-Projekt – er hatte Mode mit kunsthistorischen Bezügen inszeniert und die ikonische Fotografie „Golden Sound“ geschaffen, deren gemalte Version dauerhaft im Separee des Opus V hängt – habe er erstmal keine Kamera mehr in die Hand nehmen wollen. „Ich konnte keine Studiolampen mehr sehen, das Geklicke nicht mehr hören und habe ein Jahr nur gemalt“, erinnert er sich. Im Auslandssemester in London hatte er das Glück, dass sein Professor sowohl Malerei als auch Fotografie unterrichtete: „Dort wurde mein Maldrang sehr gefördert.“ Inzwischen setzt er beide Kunstformen situativ und intuitiv ein und mixt sie, wie in der jüngst entstandenen Arbeit „Die Geburt der Venus“: Der Bildaufbau entstammt einer Fotografie, die er auf Leinwand übertragen und kunstvoll ausgemalt hat. Auch hier nimmt er Rückgriff auf die Kunstgeschichte und den Rennaissance-Maler Sandro Botticelli. Er hat aber auch eine künstliche Intelligenz eingesetzt, um das die Gestalt umgebende Meer zu generieren. Das Foto nahm er im Sonnenuntergang in den Dünen am Viernheimer Glockenbuckel auf. Falk Kastell hat Kommunikationsdesign an der Hochschule Mannheim studiert, Malerei und Fotografie in England. „Ich wollte das Handwerkszeug bekommen, um meine innere Welt zu realisieren“, begründet er. Schon während des Studiums und bis heute arbeitet er regelmäßig auch für Agenturen und in der Werbung.

Er entdeckt Fotomodelle für internationale Designermarken und produziert Werbefilme für exklusive Produkte. Seine Werbefotografien wurden im Robb-Report und im Malibu Magazin abgedruckt. An der Hochschule in Neckarau kam es auch zu der prägenden Begegnung mit Robert Häusser, die die Karriere des heute 37-Jährigen nachhaltig prägen sollte. „Robert hielt einen Vortrag. Ich habe ihn währenddessen gezeichnet. Das hat er bemerkt und zu mir gesagt: ‚Junger Mann, zeigen Sie mal, was Sie da machen.‘ Nach der Vorlesung hat er seine Telefonnummer auf die Rückseite der Zeichnung geschrieben und gesagt: ‚Die will ich haben. Bringen Sie sie nächste Woche bei mir vorbei.‘“ Etliche weitere Treffen folgten in den kommenden Jahren: „Er hat sich alles angeschaut, was ich gemacht habe. Er war mein bester Lehrer.“ Kastell ist in einer kunstaffinen Familie aufgewachsen. Der Großvater realisierte als Glasermeister Kirchenfenster, die Großmutter war Malerin und der Vater war Restaurator für antike Teppiche und Gobelins. Auf eigenen Wunsch begann er mit vier Jahren Ballett zu tanzen, mit sieben Jahren wurde er im Vorstudium an der Mannheimer Akademie des Tanzes wegen außergewöhnlicher Begabung ein Jahr früher als gewöhnlich aufgenommen. Mit seiner Mutter sah er jahrelang im Pfalzbau in Ludwigshafen die großen Tanzkompanien der Welt. Er hat sich dann doch gegen eine Profikarriere als Tänzer entschieden, ist der (freien) Szene aber bis heute eng verbunden: in gemeinsamen Tanz-Projekten und als Berater, der mit „Falkenauge“ seinen Blick auf entstehende Produktionen wirft. Dass er Künstler werden würde, sei schon immer klar gewesen, glaubt er: „Es gibt Fotos von mir als Zweijährigem, wie ich mit großer Ernsthaftigkeit über einem Blatt sitze und male. So als gebe es für mich keinen anderen Weg.“ Wissen hat er als Jugendlicher aufgesogen wie ein Schwamm. Viele Nachmittage verbrachte er in der Stadtbücherei mit Büchern und Geo- und National-Geographic-Heften, denn: „Ich bin in der Zeit aufgewachsen, als Gameboys und Fernsehen in den Kinderzimmern Einzug hielten. Meine Mutter war sehr weise und hat sich für etwas Besseres entschieden. So sind Bücher zu meiner Welt geworden.“

Der Tanzszene eng verbunden

Dass sein Heranwachsen keine leichte Zeit gewesen sei, lässt er am Rande durchblicken. Er sei bis heute ein „Berufsaußenseiter“ und liebe es, aus der Reihe zu tanzen. „Ich sehe den Menschen und die Welt mit anderen Augen. Es ist meine Aufgabe als Künstler, eine andere Perspektive auf unsere Existenz anzubieten.“, sagt er selbstbewusst. Seinen Sinn für Mode lebt er in eigenen extravaganten Entwürfen aus, die eine befreundete Schneiderin für ihn umsetzt, sehr häufig ist er auf Reisen – nie im Urlaub, sondern weil ihn eine Ausstellung in London, das neue Stück des Nederlands Dans Theaters in Amsterdam oder die Edelsteinproduktion in Äthiopien gerade brennend interessieren. Nicht nur diese „Bildungsreisen“ inspirierten ihn, erzählt er: „Inspiration ist wie ein Schmetterling, der vorbeifliegt. Man muss schnell sein, ihn zu erhaschen.“ Und man müsse mutig sein, wenn man etwas erreichen wolle, findet er: Nur weil er sich ein Herz fasste und den Hamburger Ballett-Choreografen John Neumeier nach einem Gastspiel ansprach, konnte er sechs Monate lang dessen Bundesjungendballett begleiten. Die dabei entstandenen Zeichnungen sind Bewegungsstudien, die heute in seine Malerei einfließen. Flächige Leinwände lässt er so zu Räumen mit großer Tiefe werden. Aktuell beschäftigt er sich mit einem Fotoprojekt mit körperlich und geistig behinderten Menschen, deren Schönheit und Würde er zeigen will, getreu seinem Anspruch: „Kunst muss immer aus Menschlichkeit bestehen.“ Er will es langfristig anlegen, persönlich und ohne Hintergedanken an den Kunstmarkt: „Ich stelle mir oft die Frage, was ist ein gutes Leben?“ Antworten liefert er gleich mit: ,,Gut lebe ich durch gute Gesellschaft, tiefgründige Begegnungen, gute Gespräche, gutes Essen, durch bewusstes Genießen des Moments – durch das, was ich mit ganzem Herzen mache.“

www.line-light.com

Foto: Falk Kastell

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